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Satire: Anzüglicher Anzug

Frau Osswald sucht lieber selbst den Anzug für ihren Mann heraus – ehe der wieder wie ein Clown daherkommt. Nur diesmal geht es in die Hose … oder vielmehr ins Jackett. Frau Osswald holt Ihrem Mann einen anzüglichen Anzug.

Anzüglicher Anzug? Wie kann so etwas passieren, ist Frau Osswald doch von der alten Schule – zumindest, was Benimm und Etikette betreffen. Sie liebt Männer mit Stil. Die sich zu benehmen wissen, wie der ollen Knigge das vorgeschrieben hat. Osswald wundert sich stets, dass sie ihn zum Mann genommen hat – wo er doch auf Etikette so wenig Wert legt. Und auf Kleidung erst recht nicht. Außerdem hat er kein Geld – nun ja, um Benehmen bemüht er sich, das gelingt ihm auch hin und wieder, schließlich entstammt er einer großbürgerlichen Familie mit all den Untiefen an Erziehung, die es zu umschippernd galt.

Von Knigge jedenfalls ist er weit entfernt. Und Anzüge sind ihm ein Greuel. Doch genau ein Anzug muss es jetzt sein, Frau Osswald besteht darauf.

Halbgehängter im Anzug

“Du hast keine vernünftige Stoffhose. Und deine Jacketts sehen zum Heulen aus. Wenn du die anhast, läufst du rum wie ein Halbgehängter!”

Zum Glück also, dass Osswald für seinen Job als kreativer Freiberufler in den schluffigsten Klamotten herum schlappen kann, die er im Schrank hat; und davon gibt es viele. Immer noch besser jedenfalls als so ein Affenjob mit Anzugzwang, findet Osswald. Aber es gibt auch einige Anlässe, wo das mit dem Schlabberlook nicht sein darf – zumindest meint das Frau Osswald. 

Schnapp den Mops!

Die Einladung nach Mannheim, in ein schickes Restaurant, ist so eine. Frau Osswald und ihre Freundin haben sie ausbaldowert, und anders als bei anderen Treffen, sind diesmal die Männer ausdrücklich willkommen. Die Freundin ist nicht nur die Freundin aus Schultagen, sie ist auch die Anwältin von Frau Osswald. Familienrecht, um genau zu sein. Osswald sitzt also der zukünftigen Scheidungsanwältin seiner Frau gegenüber. Wenn er Pech hat. Also muss er gut gekleidet sein und sich zusammenreißen …

Schick ausgehen

Bevor also das schicke Ausgehen angesagt war, musste es erst einmal einen neuen Anzug geben.

Und weil Osswald eh keinen Geschmack hat, besorgt ihm seine Frau Stoffhose und Jackett. Alles passt prima, Frau Osswald kennt die Ausdehnungen ihres Mannes. Anprobieren muss er trotzdem. Als Osswald das Jackett anzieht, knistert etwas in der Innentasche.

Osswald zieht das knisternde Ding heraus. Es ist ein Din-A-4-Blatt, zweimal in der Mitte gefaltet. Dazu eine leere Packung Vivil-Bonbons.
Osswald faltet den Zettel auseinander. Er zeigt eine schlechte, grisselige Fotokopie zweier halbnackter Frauen. So, wie die Frauen in seines Vaters Fotoalben ausgesehen hatten, zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts – ungekünstelt, rührend naiv und irgendwie antik.

Osswald fragt seine Frau: “Ist der Anzug neu?”

Anzüglicher Anzug: Zwei nackige Mädels

“Natürlich!”

Er zeigt seiner Frau die Aktfotografie: “Das war in der Innentasche des Jacketts. Es ist eine Botschaft. Von meinem Vater.”

“Ach Blödsinn! Das ist eine Sauerei.”

Frau Osswald bringt den anzüglichen Anzug zum Händler zurück und holt einen anderen. Der ist völlig langweilig, ohne geheime Botschaften aus dem Jenseits. Und er ist ein wenig überflüssig, zumindest zum Date in Mannheim. Die Scheidungsanwältin kommt nur leicht aufgemöbelt daher, der Mann der Scheidungsanwältin in Pollunder und verbeulter Jeans. Während Osswald aufpassen muss, dass er seinen neuen Anzug nicht bekleckert.

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